Der Beobachter

Für mich eines der am Schwierigsten zu fassenden Themen. Zu verstehen ist es leicht, nur wie wirkt es sich aus? Ich unterstelle jetzt einmal, Sie kennen die Sache mit dem Beobachter.

Normalerweise wird bei dem Thema ja gleich Schrödingers Katze zitiert. Nur bekomme ich die tot-lebendige Katze einfach nicht in meinen Kopf. War ja indirekt auch Schrödingers ursprüngliche Absicht, wollte er doch damit beweisen, dass an seiner eigenen Gleichung etwas nicht richtig sein kann, etwas fehlen muss. Was aber nicht der Fall ist, die Physik ist so merkwürdig.

Ich gehe ja grundsätzlich davon aus, dass ich mich, wenn ich absolut nicht festgelegt bin (was leider immer noch sehr selten ist) dieses Kohärenzfeld auch bei mir eine wesentliche Rolle spielt; nicht nur bei meinen Gedanken, auch bei allen körperlichen Funktionen, die ja teilweise auch durch das Gehirn gemanagt werden. Nur wie funktioniert das jetzt mit dem Beobachter?

Wenn ich in ein Lokal gehe und mir etwas bestellen will, ist mein Wunsch, was ich gerne trinken würde – ein Weizen, ein alkoholfreies Weizen oder ein Glas Wein, Wasser oder eine Apfelsaftschorle– nicht bestimmt. Noch bewege ich mich in der Welt der Kohärenz, es gibt also nur Wahrscheinlichkeiten für das, was ich trinken möchte.

Kann sein, dass ich gerade „wie immer“ möchte, kann sein, dass ich „etwas anderes“ möchte oder „etwas ganz anderes“, jedoch nicht darüber nachdenke, was nicht bedeutet, dass es nicht gedacht wird, nur ist mir das dann nicht bewusst. Das ist nicht festgelegt, sondern es gibt dafür nur Wahrscheinlichkeiten, solange ich nicht explizit darüber nachdenke.

Denke ich darüber nach, reduziert sich das Kohärenzfeld drastisch auf das, worüber ich nachdenke, etwa dass ich fahren muss und klar ist, dass ich wie meist, ein Weizen trinke – also ohne Alkohol. Ob Weizen oder Wein ist eine Frage meiner mir meist nicht bewussten Stimmung, über die ich selten nachdenke.

Die Frage der Bedienung kann dann das Ganze noch einmal in Bewegung bringe, wenn ich also nicht fahren muss und die Frage vielleicht lautet „Heute mal was anderes?“ – und schon bestelle ich vielleicht, innerlich leicht überrascht, einen Wein, einfach, weil mir gerade „nach was anderem“ zumute war. Jedenfalls kollabiert mit meiner Antwort das Kohärenzfeld und ich treffe eine Entscheidung.

Was wiederum bedeutet, dass sich mein mir nicht bewusstes Denken (also nicht meine Gedanken oder mein Nachdenken und auch nicht mein Grübeln!) vor jeder wirklichen und nicht nur vermeintlichen Entscheidung in einem dem Zustand der Kohärenz befindet.

Dieses freie Feld der Kohärenz existiert also nur im Denken durch Nichtdenken, wenn ich also nichts bewerte oder beurteile. Eine unverzichtbare Bedingung. Bewerte ich mein Gegenüber, muss ich mir darüber im Klaren sein, dass ich die Facetten ihres oder seines Wesens nicht wahrnehmen kann, denn jeder Mensch ist ja nicht per se festgelegt, sondern ein Feld des Möglichen – sofern sie oder er sich nicht von vorne herein festlegt.

Andererseits löse ich als bewertender Beobachter eine entsprechende Reaktion aus, denn meine Bewertung kommt ja an, wird wahrgenommen. Daher löse ich mit meiner Bewertung bei meinem Gegenüber Dekohärenz aus. Ganz schlimm sind Erwartungen gegenüber Menschen, die von meinem Verhalten mehr oder weniger abhängig sind.

Fazit: So wie die Bedienung mich in eine spezifische Wunschrichtung zu lenken vermag, mache ich es bei jedem, den ich bewerte oder beurteile. In beiden Fällen kollabiert das Feld der Kohärenz und ich als Beobachter lege den anderen durch meine Frage auf seine Antwort fest. Die ist zwar nicht definiert, aber ich gebe durch die Frage die Richtung an. Dabei muss ich gar keine Frage stellen, es genügt auch ein Schweigen.

Wie gesagt, es ist eine Herausforderung, dem anderen ohne jegliche Bewertung gegenüber zu treten. 

Als Beobachter stelle ich alleine durch meine Beobachtung eine Frage und mache damit eine Aussage über die Welt. Wenn ich mich frage, wie schnell ein Auto ist, dann mache ich schon eine Aussage darüber, dass es eine Geschwindigkeit hat. Es sei denn natürlich, ich bekomme es hin, vollkommen ohne Bewertung und ohne auch nur die Spur eines Urteils wahrzunehmen.

Was meist schon daran scheitert, dass ich etwas als schön oder eben nicht empfinde, selten, dass ich wirklich neutral und offen bin. Ernst Mach, ein Physiker und Naturphilosoph, hat betont, dass jede Aussage in der Wissenschaft eine Aussage über die Beziehung von beobachtbaren Größen sein muss.

Das gilt vor allem bei Aussagen über andere! Die kann ich ohne eine eigene Ansicht beziehungsweise Erwartung überhaupt nicht treffen. Und diese eigene Ansicht, was richtig oder falsch wäre, verbaut mir den Weg wahrzunehmen, was den anderen bewegt, sich so und nicht anders zu verhalten. Es sind stets relative Bezüge, über die wir sprechen. Das sagen nicht nur die Quantenphysiker, Entsprechendes sagen auch die Menschen im Ch’an.

Mit meiner Ansicht oder Erwartung sende ich dem anderen eine Information über das, was mich bewegt, so wie derjenige mir durch seine Handlung gleichfalls eine Information sendet, was ihn bewegt. Letztlich geht es darum, beide Informationen gleichwertig nebeneinander zu stellen und sie im Dialog zu klären.