Die Kunst, mich einzulassen

Kostet manchmal beziehungsweise erst einmal Überwindung. Kürzlich habe ich geübt, mein Motorrad auf den Hauptständer zu stellen. Ginge eigentlich ganz einfach – wenn man (also ich) es schon könnte.

Was mich zurückhält ist, dass ich noch kein sicheres „Gefühl“ für den Bewegungsablauf habe, noch nicht weiß, was da passiert oder passieren könnte. Mir fehlt schlicht und einfach noch die Erfahrung und damit die Propriozeption für „das Motorrad auf den Hauptständer stellen“.

Propriozeption hat offensichtlich sehr viel mit implizitem Wissen zu tun. Habe ich dieses Wissen, „vertraue“ ich auch darauf, dass ich es kann. Für mich ein Hinweis darauf, dass Geist und Materie (Körper) eins sind, auch wenn ich sie oft noch nur getrennt verstehe.

Wahrnehmen kann ich eine Bewegung immer nur auf materieller und auf geistiger Ebene, nie voneinander getrennt. Dabei spielt es – das ist jetzt meine Annahme – keine Rolle, ob es sich um das Aufstellen des Motorrads oder um die Vorstellung handelt, dass es kein „Ich“ gibt, nur ein „ich“.

Dass es kein „Ich“ gibt, muss ich körperlich zwar nicht erfahren, sondern ich muss „nur“ die Annahme, es gäbe ein „Ich“, wieder ent- oder verlernen. Auch wenn es tatsächlich kein „Ich“ gibt, habe ich eines körperlich phantasiert.

Und exakt das Ist das „Problem“ mit dem Ich-Denken. Also lasse ich mich darauf ein, dass es kein „Ich“ gibt. Das bedeutet zu erkennen, wo ich wie ein „Ich“ reagiere, mich etwa  angegriffen fühle, mich aber nur in meinem Ego angegriffen fühlen kann und wie sich das körperlich manifestiert.

Wenn mich jemand unverhofft beleidigt, zucke ich (noch) zusammen, genauso wie ich körperlich reagiere, wenn „mich“ jemand ärgert. Dabei kann ja nur mein „Ich“ beleidigt oder geärgert werden, nicht jedoch ich.

Gehe ich also davon aus, dass ich nicht „Ich“ bin, was bedeutet das dann für mich? Ich fand gerade eine vielleicht interessante Parallele in einem Zitat von Axel hacke, der gesagt hat, dass er keine Lust auf diesen FIFA-Fußball hat, doch er empört sich nicht darüber und boykottiert es nicht, das findet er lächerlich, sondern er schaut einfach nicht zu.

Kein Aufhebens mehr, er macht es einfach korrekt. Was wiederum die Frage aufwirft, ob das Sich-Empören und das Boykottieren ganz einfach zu dem „Ich“ gehört, aber eben nicht zu mir. Die Tatsache, dass ich mich mittlerweile immer seltener aufrege, also gelernt habe, es einfach sein zu lassen, wirft die Frage auf, ob die üblichen Anweisungen, wie etwa mentales Training „funktioniert“ – durch Motivation, kontinuierliche Anstrengung, viel Training und eine Menge korrigierende Erfahrung, nicht auch nur eine Verbeugung vor dem „Ich“ sind.

Alle psychologischen Modelle, die nicht von einem „Ich“ ausgehen, haben ja logischerweise einen Denkfehler, gehen sie doch von etwas aus, was es überhaupt nicht gibt. Wenn das so ist, dann genügt ganz einfach Einsicht und Bewusstheit.

Also lasse ich mich darauf ein, dass es „Ich“ nicht gibt. Das Einzige, was ich aus der psychologischen Werkzeugkiste mitnehme ist die korrigierende Erfahrung. Die werde ich noch brauchen, solange ich noch auf dem Weg bin. Wobei, ist „auf dem Weg zu sein“ nicht auch nur eine Regung des Ich-Denkens?

Das bedeutet, dass ich mich nicht mehr einlasse, sondern es kann. Auf körperliche Fähigkeiten, wie das Motorrad auf den Hauptständer zu stellen, darauf muss ich mich auch weiterhin einlassen, nicht aber auf geistig-mentale Dinge.

So jedenfalls lese ich diesen Satz von Foyan: „Der Weg wird nicht durch Erklärung und Demonstration sichtbar, denn er ist stets ganz von selbst offenkundig.“