Weshalb empfinde ich Schönes als schön? Ganz einfach, weil ich es als „schön“ definiert habe. Genauso wie ich den den Blick in den nächtlichen Sternenhimmel oder die Weite der See als „bewegend“ wahrnehme.
Es mag verwirren, dass solche „erhabenen“ Gefühle, die mich „irgendwie“ übersteigen, nichts anderes sind als das Zusammenspiel von Informationen in den Synapsen meines Gehirns oder sonst wo.
Aber so ist es, wenn ich es einmal ganz logisch und nüchtern betrachte. Das Spannende ist, wie aus Informationen durch eine geistige Anstrengung Empfindungen werden. Die nüchterne Beschreibung, aber keine Erklärung für mein mystisches Erleben.
Wenn etwa Naturwissenschaftler behaupten, sie könnten die Evolution restlos erklären, übersehen sie, dass sie schon den objektiven Zufall wie auch viele Zusammenhänge, die eine wesentliche Rolle spielen, eben nicht erklären können.
Auf der anderen Seite nehmen religiöse Fundamentalisten ihre kodierten Lehren wortwörtlich und behaupten, die Schöpfung sei genauso abgelaufen, wie es dort geschrieben steht, womit sie die Ebene der Spiritualität verlassen.
Spiritualität ist die Suche, die Hinwendung, die unmittelbare Anschauung oder das subjektive Erleben einer sinnlich nicht fassbaren und rational nicht erklärbaren transzendenten Wirklichkeit, die der materiellen Welt nicht zugrunde liegt, sondern mit ihr eins ist; eine Wahrnehmung, für die es keine Erklärung gibt.
Das ist für mich so, weil alles, was ich tue, seinen Anfang im Geistigen nimmt. Ich schreibe keinen Text und repariere auch mein Motorrad nicht, wenn da kein geistiger Impuls ist. Andererseits bin ich mir bewusst, wie das, was ich materialisiert habe, Einfluss auf meine geistige Entwicklung nimmt. Für mich sind Geist und Materie definitiv eins. Es ist die bekannte Frage nach dem Huhn und dem Ei: Was war zuerst da?
Die moderne Wissenschaft ist in den Grenzbereich des Verstehbaren (nicht des Erfahrbaren!) eingetreten, wo sie sich mit der Spiritualität trifft, was, wie etwa bei Pauli und Jung zu einem spannenden und inspirierendem philosophischen Dialog geführt hat.
Das Missverständnis der jeweiligen Position von klassischer Wissenschaft und Religion ist für die Gesellschaft tatsächlich eine Katastrophe, denn in Wahrheit ergänzen Wissenschaft und Religion einander in ihrem Streben nach Erkenntnis. Und genau diese Brücke haben Pauli und Jung in ihrem Dialog zu beschreiben gesucht.
Ein Mystiker wie Meister Eckhardt hat eine solche Brücke vielleicht überhaupt nicht mehr gebraucht, weil für ihn Geist und Materie eins waren, er es als Eins empfand, so wie die Taoisten, für die Yin und Yang nur der explizite Ausdruck einer impliziten Einheit war und ist. Jedenfalls verstehe ich sie so.
Gerade auch in der Definition von „Empfindung“ zeigt sich ein grundlegendes Phänomen. Zum einen wird darunter die „Wahrnehmung eines körperlichen Reflexes, ausgelöst durch ein Sinnesorgan (wie etwa die Empfindung von Kälte)“, andererseits wird darunter „eine seelische Regung, eine Gemütsbewegung“ verstanden.
Um bei dem Beispiel Kälte zu bleiben, Kälte empfinde ich immer körperlich wie auch geistig. Und auch die Weite des Sternenhimmels kann ich nur dann empfinden, wenn ich auch die Sterne sehe, sie mir zumindest vorstellen kann.
Für mich ein Hinweis darauf, dass Geist und Materie eins sind, auch wenn ich sie oft noch nur getrennt verstehe. Wahrnehmen kann ich etwas jedoch immer nur auf materieller und geistiger Ebene, nie voneinander getrennt.