Wie seltsam ist Welt?

Sicher ist: Wären die Welt und das Universum nicht so, wie sie sind, gäbe es uns nicht. Soweit absolut kein Problem. Denken und handeln wir jedoch nicht im Einklang mit den kosmischen Gesetzmäßigkeiten, haben wir definitiv ein Problem, nur wir wissen oder merken es vielleicht – oder sogar wahrscheinlich – überhaupt nicht.

Besteht zwischen Personen, Gruppen oder ganzen Nationen ein Konflikt, dann finden wir Menschen schnell Antworten, weshalb das so ist. Dabei ist eines sicher: Das Problem wird in der Regel nur bei dem anderen gesehen, wohl kaum bei sich selbst. Die Folge ist, dass über die Symptome geredet wird, aber in den seltensten Fällen über die eigentlichen Ursachen.

Marshall McLuhan hat das für den Bereich der Medien erkannt. Einfach ausgedrückt: Die Form definiert den Inhalt. Eine Erkenntnis, die es im Ch’an schon lange gibt. Ich frage mich immer, wie die Ch’an-Menschen allein durch gedankliche Überlegung da drauf kamen. Etwa die Erkenntnis von Hui Neng, die ihm die Ehre einbrachte, zum sechsten Dharma-Vorfahre ernannt zu werden. Was also brachte Hui Neng dazu, den folgenden Vers zu denken, einen in unserem Verständnis ungebildeten Menschen?

Im Grund gibt es keinen Bodhi-Baum
Da ist kein klarer Spiegel auf einem Gestell
Im Ursprung ist da kein Ding
Worauf soll sich Staub legen

Er dachte wohl ganz einfach an die Leere. Nichts anderes hat die Quantenphysik letztlich auch herausgefunden und auch nachweisen können. Materie gibt es nicht, sie „erscheint“ nur und verschwindet wieder. Hauptsächlicher Bestandteil ist – wenn sie erschienen ist – Bindungsenergie (so etwa 98%). Und es ist ausgemacht, dass alles Existierende „nur“ ein Geist-Phänomen ist.

Eine Vorstellung, die für viele Menschen ganz offensichtlich sehr schwer zu akzeptieren ist. Also sind weder die Welt noch das Universum seltsam, viele verstehen es nur nicht – und finden es deshalb seltsam. Oder sie verstehen es zwar, nur sie akzeptieren es noch nicht. Wahrscheinlich, weil sich Gedanken nur so schwer festhalten lassen.

Sie sind auch wirklich schwer in den Griff zu bekommen. Möglicherweise ist das der Grund für das Unbehagen vieler Menschen: Es ist letztlich unmöglich, etwas anderes als sich selbst zu managen. Und auch das geht nicht wirklich. Also sollten wir damit aufhören, uns oder etwas anderes managen zu wollen und stattdessen Einsicht zu finden suchen.

Wobei Relativität der falsche Begriff ist, richtiger wäre es wohl sagen und denken zu können, dass wir wissen sollten, was in unserem Geist gerade passiert – und was das bedeutet. Ich kann zwar denken, dass ich Motorradfahren möchte, doch weiß ich dann auch, weshalb ich das will? Und genau diese Frage führt in die Irre. Ich will Motorrad fahren, weil ich Motorrad fahren will.

Hui Neng hat ganz offensichtlich verstanden, dass das, was wir denken, die Wirklichkeit ist. Nichts sonst. Selbst wenn ich etwas vollkommen Irreales denke, ist das meine Wirklichkeit, Nicht nur im Ch’an geht es immer um das Bewusstsein für die Leere. In der Welt ist alles leer von Selbstnatur.

Weiter Lesen: Verschränkung

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