Organisatorisches

Ich organisiere mein Weltbild so, dass ich mich bestmöglich in der Wirklichkeit zurecht finde, die ich zu erkennen gelernt habe. Das ist ein Gedanke, der sich aus mehreren Teilaspekten zusammensetzt, ähnlich wie sich ein Regenbogen aus den Teilaspekten Luftfeuchtigkeit, Licht, Einfallswinkel und natürlich der Wahrnehmung durch den Betrachter zusammensetzt.

Und so wenig, wie es den Regenbogen tatsächlich gibt, gibt es auch mein Weltbild nicht – und doch ist es für mich real. Schaue ich nicht hin, gibt es auch keinen Regenbogen. So ist es bei allem. Nur durch welchen Filter schaue ich auf die Dinge der Welt? Daher lohnt es sich, die einzelnen Teilaspekte einmal zu untersuchen, die ich wahrnehme, wenn ich etwas wahrnehme.

Es beginnt damit, dass es „die“ Wirklichkeit nicht gibt, sondern nur das, was ich als wirklich ansehe. Das ist ein mentaler Denkvorgang, meine Interpretation des Wahrgenommenen. Daher bin ich gut beraten, nicht auf meine Gefühle zu hören, sondern auf das, was ich untersuche.

Letztlich untersuche ich ja nicht wirklich das, was ich wahrnehme, sondern ich überprüfe meine Interpretationen auf Stimmigkeit. Daher sollte ich dabei idealerweise wie ein Wissenschaftler vorgehen und mich nicht von meinen inneren Bildern leiten lassen. Eine gute Übung im „Nicht-Bewerten“.

Wie ich die Dinge interpretiere (und nicht, wie ich sie sehe!) ist das Fundament für alles weitere – aber nicht mehr. „Die“ Wirklichkeit gibt es ja nicht, sie existiert ja ausschließlich in dem Moment, in dem ich sie wahrnehme, ähnlich einer juristische Sekunde, eine Zeiteinheit der Größe „null“.

Die Wirklichkeit, die ich auf meinem (!!) Fundament „Weltbild“ aufbaue, ist also ein extrem kurzlebiges Phänomen. Im Grunde existiert sie nicht, es kommt mir nur so vor, weil ich die einzelnen Augenblicksaufnahmen als einen kontinuierlichen Film interpretiere – was es aber nicht ist.

Ändert sich mein Weltbild, ändert sich auch die Wirklichkeit, die ich wahrnehme, auch wenn die Dinge als solche bleiben wie sie sind. Was natürlich nicht bedeutet, dass sie sich nicht verändern. Was aber nur heißt, wirklich aufmerksam sein zu müssen und nicht davon auszugehen, ich wüsste schon, was mir begegnet oder – noch schlimmer – was mir begegnen wird.

Das bedeutet, dass ich mich mit Bewertungen und Beurteilungen bestmöglich zurückhalten sollte, will ich mein Gegenüber erleben, wie er ist – und nicht wie ich ihn sehe beziehungsweise interpretiere. Alle Dinge, die ich benutze, wie etwa meine Wohnung, meine Kleidung und so weiter, werden mir mit hoher Wahrscheinlichkeit im nächsten Augenblick sehr ähnlich wie in dem Moment vorher erscheinen.

Also macht es Sinn, meine Wohnung oder meine Kleidung so zu organisieren, dass sie mein Weltbild für mich erlebbar machen. Es geht ja letztlich darum, wie ich mich organisiere. Denn wie ich in der Gesellschaft wahrgenommen werde, hängt ja davon ab, wie ich auftrete, also wie ich bin. Und das bin ich, weil ich mein Weltbild genau so organisiere, wie ich es eben organisiere. Nur ist das nicht festgelegt, sondern änderbar.

So wie auch Tiere und Vögel Freundschaften untereinander schließen und unterschiedliche Rollen innerhalb ihrer Gesellschaft einnehmen, machen auch wir Menschen das. Auch wir nehmen eine Rolle ein und organisieren uns mit Gleichgesinnten. Nur entweder unbewusst, was bedeutet, ich werde im Grunde von anderen regelrecht domestiziert – oder ich mache das bewusst selbst, indem ich mich selbst organisiere.

Eine Biene verlässt als unbeschriebenes Blatt ihre Larve und lernt von dem Kollektiv „ihre“ spezifische Aufgabe auszuüben. Die Zellen meines Körpers sind auch so organisiert. Sie beginnen als Stammzelle, bereit und fähig, jede Position einzunehmen, um dann die Funktion auszuführen, für die sie gebraucht werden, ob im Gehirn, im Herz, in einem Muskel oder im Darm.

Nicht anders ist es bei uns Menschen in der Gesellschaft. Ich etwa hatte als Beruf Jurist gelernt und als Anwalt gearbeitet, erkannte aber erst wesentlich später, dass meine eigentliche Kompetenz ganz woanders liegt und ich keine Lust auf die Rolle des Juristen hatte. Bei den Bienen klappt das scheinbar besser, „ihren“ Platz in der Gesellschaft zu finden als bei uns Menschen.

Der Vergleich mit den Körperzellen, die zu Beginn identisch anfangen und im Weiteren gleich bedeutend und auch gleich wichtig für das Ganze sind, macht einerseits demütig und sägt zum anderen ein bisschen am Stuhl meines Egos, was ja nicht schlecht ist. Jedenfalls ist es richtig, mir Gedanken über die mir zugedachte oder von mir „ausgedachte“ Rolle in der Gesellschaft zu machen.

Das bedeutet, bin ich mir über mein Weltbild zumindest einigermaßen im Klaren, dann sollte ich mir Gedanken über die Aufgabe machen, die mir zugedacht ist, also mir über meine Kompetenzen klar werden. Dann kann ich mir als nächsten Schritt Gedanken über meine Rolle in der Gesellschaft machen, wobei ich nicht diese Rolle definiere, sondern sie vorgegeben ist durch den Platz, an dem ich lebe.

Denn wenn alles das in sich differenzierte Eine ist, wie Hans-Peter Dürr es nannte, dann definiert dieses „Eine“ meine Rolle in der Gesellschaft.

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