Die Erkenntnis meines Lebens:
Entscheidend ist, was ich tue, nicht was die anderen tun.
Es ist ja mit der Gesellschaft wie mit dem Strand, beides gibt es nicht wirklich, nur sehr, sehr viele Sandkörner – und viele einzelne Menschen.
Ergo geht es um mich. Nur wenn ich „in Ordnung“ bin, können auch meine Beziehungen in Ordnung sein.
1
Einsam zwischen Menschen,
verloren in einer beziehungslosen Welt,
bin ich mir selbst fremd geworden,
habe mich selbst immer mehr verloren.
Während ich mich immer weiter
im Alltäglichen verstricke,
sehne ich mich danach,
frei zu sein, frei und ungebunden.
Wer aber gibt mir die Antwort,
nach der ich mich sehne,
der mein Leid beenden kann
und mich zu mir selbst finden lässt?
2
Also mache ich mich auf die Suche nach dem,
was im Leben wirklich trägt,
auch, um wieder zu mir selbst zu finden.
In den Gedanken der Weisen,
den Texten der Philosophia perennis,
in der Achtsamkeit und der Bewusstheit
und dem Streben nach Verstehen
beginne ich zu erkennen,
wonach mich meine Sehnsucht suchen lässt.
Doch noch ist es nur eine Ahnung,
nichts, was ich sicher wissen,
nichts, was mich beständig trägt.
3
Je mehr ich mich aber darauf einlassen,
desto klarer wird mein Blick auf das,
was wesentlich und was wahrhaftig ist.
Ich beginnen das Wesen der Dinge zu verstehen,
und je mehr ich den gedanklichen Schleier löse,
desto genauer erkennen ich, was wirklich ist.
Was bisher nur eine Ahnung war,
eine gedankliche Vorstellung,
wird zur inneren Gewissheit,
auch wenn es mir noch schwer fällt,
aus dieser Einsicht heraus zu handeln.
4
Noch bin ich nicht wirklich Herr über meinen Geist,
noch wirken fremde Einflüsse auf mich ein,
und noch erliege ich Vorstellungen,
die mich immer wieder in die Irre führen.
Die Freude über das Erkannte
und über das, was mir möglich erscheint,
wechselt sich ab mit der Enttäuschung,
dass die Dinge, die mir begegnen,
mich scheinbar immer wieder daran hindern,
wesentlich und wahrhaftig zu sein.
Es ist der Kampf mit alten Gewohnheiten,
der mir Kraft und Beharrlichkeit abverlangt,
um das Erkannte auch umzusetzen
und meine Disziplin und Konsequenz
stets von Neuem herausfordert.
5
Weil ich aber einmal erkannt habe,
was wirklich trägt im Leben,
werde ich nicht müde meinen Geist zu üben,
um in jedem Augenblick wach und bewusst zu sein.
Ich entdecken die Kraft meines Geistes,
ich erkenne, dass ich mein Leben selbst gestalte
und finde so zu meinem ureigenen Potenzial
und einer Vielfalt von Möglichkeiten,
von denen ich früher nicht zu träumen wagte.
Und wenn ich doch einmal vom Weg abkomme,
lassen ich mich davon nicht entmutigen,
sondern kehre mit steter Gelassenheit
zu meiner Praxis und Übung zurück.
Hat mich zu Beginn Begeisterung geleitet,
vielleicht sogar Euphorie und Ekstase,
so ist es jetzt in zunehmendem Maße
eine neu gewonnene Selbstverständlichkeit,
mit der ich meinen Weg gehen.
6
Indem ich mich auf das Leben eingelassen habe,
mich von ihm habe auslegen lassen,
haben ich den Schleier der unzutreffenden Sichtweisen
und illusorischen Vorstellungen fallen lassen.
Nun sehen ich die Wirklichkeit
in ihrer ganzen Fülle und Schönheit
und ich bin jetzt bereit,
mich ganz davon ergreifen zu lassen.
Ich habe gelernt, mich dem Leben anzuvertrauen,
statt es wie früher meistern zu wollen
oder es gar kontrollieren zu wollen.
Ich folge keinen Vorstellungen mehr,
ich fragen nicht mehr danach,
was richtig oder was falsch ist;
und was ich früher als Widerspruch erlebt habe,
erfahren ich nun als Ausdruck des Einen.
Dabei werden ich selbst still,
Frieden und Heiterkeit erfüllen mich.
7
Bei mir selbst, im eigenen Geist angekommen
lassen ich mich immer weiter ein auf das, was ist,
versenke mich tiefer und tiefer im Eigenen.
Mein Streben nach Einsicht und Erkenntnis
ist intuitivem, unmittelbarem Gewahrsein gewichen,
ich habe gelernt zu sehen, was ist,
ohne mir darüber Gedanken machen zu müssen.
Was mir früher bedeutungsvoll oder sogar heilig war,
ist in der offenen Weite aufgegangen,
die jetzt mein Leben und mein Erleben ausmacht.
Ich lasse die Dinge geschehen,
ohne ihnen ausgeliefert zu sein,
ich überlassen mich dem Fluss des Lebens,
ohne mich treiben zu lassen.
8
So komme ich an den Punkt,
wo nicht nur mein Suchen keine Bedeutung mehr hat,
sondern ich mich auch selbst vergesse.
Ich lebe ganz im Augenblick,
alles Trennende ist aufgehoben.
Ich tue, was zu tun ist,
erlebe, was auch andere erleben
die innere Stille aber verlasse ich nicht mehr.
Gedanken und Gefühle kommen aus dieser Stille,
um sogleich wieder dorthin zurückzukehren.
Was bleibt, ist die offene Weite des Seins
und die Freiheit des Geistes..
9
Die Einheit mit Allem ist nun Wirklichkeit,
das ursprüngliche Wesen ist realisiert,
zurückgekehrt zur eigenen Quelle,
zum kosmischen Prinzip des Lebens.
Es ist dieselbe Welt wie damals,
als ich mich aufgemacht haben
auf der Suche nach mir selbst,
doch mein Erleben ist ein anderes.
Es ist das Erleben aus der Freiheit,
der Ungebundenheit und unverstellten Wirklichkeit.
Das Bewusstsein ist leer,
weit und offen für alles, was ist,
nichts haftet es mehr an,
ein Leben in vollkommener Freiheit.
Der Weg nach innen
hat alles aufgelöst, was da war,
was bleibt, ist nichts als reine Bewusstheit.
10
Doch dann gilt es den letzten Schritt zu tun,
zurückzukehren auf den Marktplatz des Alltäglichen.
Dazu muss ich mich neu erfinden,
bewusst eine Rolle einnehmend,
wissend, dass es eine Rolle ist,
das Spiel des Lebens spielend,
frei und ungebunden.
Ich gehe nun meinen eigenen Weg,
folgen nicht mehr den Spuren anderer,
weil ich mich eins weiß mit ihnen.
Äußerlich in steter Bewegung,
innerlich in vollkommener Ruhe,
im ursprünglichen Wesen verweilend.
Tatsächlich aber gibt es da kein Innen
und kein Außen mehr, nur noch Sein.
Im Englischen wird der diesen Gedanken zugrunde liegende Bilderzyklus »The Ten Bulls« genannt, auf Deutsch üblicherweise »Der Ochse und sein Hirte«. Da mein Geist alles andere als kastriert ist, spreche ich lieber von Bullen als von Ochsen.
Mit 65 Jahren habe ich den Motorradführerschein gemacht. Seither fahre ich nicht nur Motorrad, sondern habe für mich erkannt, dass ich auf dem Motorrad diesen „idealen“ Zustand unmittelbar erlebe – einfach so. Da begriff ich, um was es für mich ging. Ich brauchte diesen idealen Zustand nicht zu üben, es ist mein Wesen. Nur Motorradfahren muss ich weiterhin üben. Und nicht wider meiner Natur zu handeln.
Also war die Frage „Weshalb nicht immer?“ Ich erkannte mit einem Mal, dass ich immer dachte, es üben zu müssen – statt es einfach zu tun. Ich dachte immer, dass ich ein starkes Ich bräuchte, um zu erkennen, dass es dieses „Ich“ überhaupt nicht gibt. Dabei war dieser Gedanke nur die Garantie, im Alten stecken zu bleiben.
Auf dem Motorrad habe ich auf dem ersten Meter mein „Ich“ und all die damit zusammenhängenden Überlegungen nicht aufgegeben, sondern aufgeben müssen. Ganz einfach von Jetzt auf Gleich. Das auch im „normalen“ Leben hinzubekommen, das hat noch ein wenig gedauert und dauert auch noch, da fehlte mir lange und immer noch manchmal, die Herausforderung, um in einen Flow zu kommen.
Krishnamurti erkannte, dass in der Annahme der Existenz eines Ichs das eigentliche Problem liegt. In dem Moment, indem ich das selbst erkannte, war das „Problem“ auch schon gelöst und ich konnte mich an der Lösung erfreuen.