Stimmt mein Weltbild?

Sind die Welt und die Menschen so, wie ich sie mir vorstelle? Grundsätzlich ist das natürlich richtig. Wie sollte ich auch wissen können, dass stimmt, wovon ich überzeugt bin? Kann ich natürlich nicht. Oder vielleicht doch?

Was also kann ich wissen? Das eine wäre, dass ich meine Annahmen auf Stimmigkeit hin überprüfe. Also nicht, ob Wasser den Berg hinauf fließt oder nicht. Sondern dass ich die Begriffe hinterfrage, von denen ich ausgehe.

Etwa dass es keinen Regenbogen gibt, den gibt es ja nicht, nur ein Phänomen. Wenn ich das verstehe, verstehe ich auch, dass es keinen Strand gibt. Nur sehr viele Sandkörner. Vorausgesetzt, ich hinterfrage Sandkörner nicht.

Das bedeutet, dass ich immer nur soweit gehen kann, wie „mein“ Wissen reicht. Weiß ich nämlich, dass Sandkörner keine stabilen Dinge sind, kann ich weitergehen. Dabei sollte ich immer davon ausgehen, dass es vieles gibt, was ich noch nicht weiß. Daher bin ich mir nie sicher, Selle mich aber selbst nicht in Frage.

Genauso kann ich Zusammenhänge untersuchen. Etwa, dass es Gehen nicht gibt, wenn ich nicht gehe. Und dass es letztlich auch keinen Geher gibt, denn das Eine wie das Andere hat keine Substanz. Also stimmt es nicht, dass es einen Geher gibt, genauso wenig, wie es nicht stimmt, dass es keinen Geher gibt.

Es geht also nicht darum, Aussagen darüber zu treffen, wie sich die Dinge genau verhalten, wie man es von einem Wissenschaftler wohl gerne hören würde, sondern den Mut zu haben, sich auf den eigenen Erfahrungsweg zu begeben und den Dingen auf den Grund zu gehen.

Nur dass ich auf meinem Stuhl sitze und diesen Text schreibe, bedeutet nicht, dass es mich gibt. Tatsächlich gibt es nur das, was sich gerade ereignet. Wenn ich an mich denke, wie ich in der Schule war, dann ist das nur Erinnerung, eine Vorstellung, ein Konstrukt.

Gerade höre ich meine Frau, wie sie aus ihrem Zimmer kommt. Dauert wahrscheinlich noch ein bisschen, dann kommt sie in das Wohnzimmer. Also werde ich ihr aufmerksam begegnen und schauen, wie sie jetzt ist. Ist ja nicht gesagt, dass sie so ist wie in meinen Erinnerungen. Sogar wahrscheinlich nicht.

Aber es geht noch weiter. Nicht einmal die Tasse vor mir ist etwas Beständiges. Dass ein anderer Versteht, was ich meine, wenn ich sage „gib mir bitte mal die Tasse“ bedeutet nicht, dass es eine real existierende Tasse geben würde. Nur ein vergängliches Phänomen. Wie auch ich selbst. Oder jemand, dem ich begegne.

Früher habe ich immer gedacht, wenn ich den Herrn X sehe, dann ist er auch jetzt wieder so, wie ich ihn das letzte Mal erlebt habe. Doch das kann er nicht sein, er ist eben, wie er jetzt ist. Wenn ich jetzt noch bedenke, dass ich meine Realität durch mein eigenes Verhalten bedinge, dann wird mir klar, dass ich sehr, sehr vorsichtig und aufmerksam sein und mich bewusst verhalten. Bewusst heißt für mich nicht festgelegt, also ohne Bewertungen und Beurteilungen, eben offen.

Ein wesentliches Element in meinem Weltbild ist, dass die Dinge und auch das Verhalten der Menschen sich jederzeit ändern können und meist auch tun, also wenn sie sich anders entscheiden, weil sie eine neue Information haben. Das ist natürlich deren Sache, wichtig ist, dass ich mir bewusst bin, was es bedeutet, mich festzulegen. Dann beende ich im selben Moment die Kohärenz und lege meine Realität fest.

Ein Biologe würde da mit dem Kopf nicken, denn Selbstorganisation – also Entwicklung wie optimales Reagieren – gibt es nur, wenn ich nicht festgelegt bin. Lege ich mich nämlich fest, sperre ich mich in ein gedankliches Korsett ein und bin starrer als ein Stück Holz. Das verändert sich nämlich noch. Selbst ein Stein tut das, auch wenn das sehr lange dauert.

Ich bin tatsächlich ein Phänomen der Natur, also von natürlichen Prozessen nicht zu trennen. Andererseits lebe ich auch in einer gedanklichen Welt, einer geistigen Kulturlandschaft. Halte ich darin keine Ordnung, ist sie also vollgestopft mit Begriffen, habe ich ein ernstes Problem. Wie sagt doch Huang Po? „Alles begriffliche Denken ist eine irrtümliche Meinung.“

Was jetzt nicht bedeutet, das Denken zu lassen, was ja gar nicht geht, aber das begriffliche Denken kann ich lassen und so denken, wie auch ein Vogel denkt. Also idealerweise, noch übe ich, mich nicht an den Gesprächen Meinung gegen Meinung zu beteiligen.

Ich dachte immer, ich würde damit die Welt des unmittelbar Erlebbaren verlassen. Was aber nicht stimmt – wenn ich der Welt auf ihr entsprechende Weise begegne – also offen. Andererseits stimmt das schon, denn  ich öffne mich dem nicht unmittelbar Sicht- oder Erkennbaren, also dem geistigen Erleben und betrachte meine Ansichten über die Dinge und eben nicht vermeintlich die Dinge selbst – ohne Bewusstsein für meine eigene Interpretation.

Ich suchte immer Orientierung in der Welt, heute schaffe ich Ordnung in meinen Gedanken. Das verschafft mir wesentlich mehr Sicherheit als vorher, konnte ich doch nie sicher wissen, wie sich andere verhalten würden. Wie ich mich in einer bestimmten Situation verhalten werde weiß ich natürlich auch nicht, aber ich kenne die Strukturen, denen mein Verhalten folgt.

Ich erkannte, dass es eine Illusion ist, auf der Verhaltensebene Sicherheit finden zu wollen, aber auf der Strukturebene kann ich sie finden. Dann weiß ich zwar auch nicht, was passieren wird, aber ich weiß, dass es eine gute und stimmige Richtung nehmen wird, nicht ideal, aber optimal.

Wie aber merke ich, dass ich mir doch wieder einmal auf den Leim gegangen bin? Ganz einfach, ich hüte mich vor Interpretationen und suche nur nach Fakten. Zum anderen suche ich die Dinge durch die Brille des Ch’an zu sehen und mit den Gedanken Nagarjunas zu verstehen. Was aber keine Garantie dafür ist, nicht doch etwas für ein Faktum zu halten, das aber keines ist, daher suche ich grundsätzlich die Entsprechung in der Quantenmechanik. Wenn die nämlich erstaunt schaut, lasse ich die (gedanklichen) Finger von der jeweiligen Überlegung..

Wie die Quantenmechanik gehe ich grundsätzlich davon aus, dass ganz vorne die Information steht, also nichts, das Substanz hätte. Ich gehe also nicht von dem aus, was ich sehe, sondern der Information, die dem Sichtbaren zugrunde liegt.

Doch all das ist erst einmal nur graue Theorie, denn es macht einen Unterschied, ob ich das, was ich zu wissen glaube auch tatsächlich anwende. Ich brauche also immer einen Dritten, der mir sagt, ob das, was ich tue, auch tatsächlich im Einklang mit dem ist, was ich zu denken glaube.