Wahrscheinlichkeiten

Eine andere Art der Stabilität. Wenn es stimmt, dass das Weiche das Harte besiegt, dann ist es auch die klügere, bessere Denkweise; die, die wirklich Halt im Leben gibt.

Kein Schachmeister plant seine Züge konkret, er denkt allein in Wahrscheinlichkeiten. Natürlich verfolgt er dabei eine Strategie, er ist aber nie auf einen Weg festgelegt  – auch wenn es einem Beobachter im Nachhinein anders erscheinen mag. Nur ist das eine Täuschung.

In oder mit Wahrscheinlichkeiten zu denken bedeutet gleichwohl definitiv nicht, mich irgendwelchen Spekulationen hinzugeben. Wahrscheinlichkeiten, mit denen ich mich beschäftige, sind immer möglich. Nur eben nicht sicher. Und genau das ist die Kröte: Keine Sicherheit, nichts wovon ich garantiert ausgehen könnte.

Doch die Welt ist nun einmal so, auch wenn es vielleicht schwer zu akzeptieren ist. Denke ich jedoch im Verständnis von Wahrscheinlichkeiten, habe ich definitiv bessere Chancen, mein Leben positiv zu gestalten. Die Frage ist nur, weshalb das so schwer zu fallen scheint.

Eine gedankliche Auseinandersetzung zwischen Niels Bohr und Albert Einstein macht das Dilemma deutlich. In ihrem Dialog (ich glaube, dass sie nicht wie viele heute in einer Talkshow darüber diskutierten und den anderen überzeugen wollten, sondern es ging ihnen um Erkenntnis) ging es immer weniger um konkrete physikalische sondern mehr und mehr um philosophische Fragen ging. Eigentlich ging es um eine einzige Frage: Welches Verständnis von Gott ist zutreffend?

Eine interessante, aber auch schwierige Frage, hat mich die doch in meiner Jugend dazu gebracht, doch lieber nicht Physik und statt dessen Jura zu studieren. Ich wollte wahrscheinlich doch lieber, dass ich die Last der Verantwortung an eine höhere Instanz abgeben kann.

Eines ist sicher: Die Frage ist nicht, ob es Gott gibt oder nicht, sondern wie ich die Welt verstehe. Dass mein Gottesbild immer nur meine eigenen Vorstellungen von mir selbst wiedergibt, ist für mich logisch. Außerhalb meiner Vorstellung und Erkenntnis kann ja für mich nichts existieren. Und das kann Angst machen, wenn ich nicht weiß, wo ich herkomme, was meine Wurzeln sind und mir das bewusst ist.

Jedoch auch hier halte ich Nagarjunas philosophische Strategie für brillant, nämlich mich zu fragen, was für mein Verständnis nicht sein kann, statt mich zu fragen, was ist. Was dann bleibt, davon kann ich –zumindest erst einmal – ausgehen. Bis ich vielleicht auch in dieser Überlegung einen Wurm finde. Die Welt ist zwar, wie sie ist und schon immer war, nur meine Erkenntnis schreitet (hoffentlich) voran.

Ich gehe davon aus, dass nichts vorherbestimmt ist, sogar den objektiven Zufall gibt es, was ja auch Ch’an-Menschen in gedankliche Schwulitäten bringt, denn es ist eben keine fortgesetzte Ursachen-Wirkungs-Kette. Sein ist ein Werden und was ich wahrnehmen kann, ist nicht die Wirklichkeit.

Die wichtige Frage ist jedoch, ob es etwas außerhalb von mir geben kann. Das kann es nicht, auch wenn mich eine solche Erkenntnis gewaltig in die Verantwortung nimmt. Nichts und niemand mehr da, dem ich die Verantwortung in die Schuhe schieben könnte. Wie aber sagt doch Krishnamurti? „You are the World!.“ Und sagen nicht die christlichen Mystiker das Gleiche, wenn sie wie Meister Eckhardt sagen „Ich bin in Gott, Gott ist in mir“?

Es ist schon spannend, dass mit der modernen Physik die Brücke zwischen Wissenschaft und Mystik gebaut wird. Wäre nur schön, wenn mehr Menschen sich trauen würden, darüber zu gehen, statt sich mit allem Möglichen abzulenken. Die Schwierigkeit ist ja, dass das Gottesbild der Menschen ihnen äußerst selten überhaupt bewusst ist, es schlummert meist implizit in unseren Tiefen und entzieht sich damit dem Bewusstsein, bestimmt aber alle Handlungen, was aber nicht bewusst ist – weil implizit.

Mit einer negativen Fragestellungen begleitet von naturwissenschaftlichen Erkenntnissen an das eigene Weltverständnis heranzugehen macht es relativ leicht, den Kern im Impliziten zu lassen und „nur“ das explizit Unzutreffende zu erkennen und aus dem eigenen Denken herauszulösen.

Gege ich so vor, brauche ich nicht mit meinem Weltverständnis zu hadern, sondern lasse es in seinen impliziten Tiefen unangetastet, nur seine expliziten Wirkungen untersuche ich auf Stimmigkeit und berichtige gegebenenfalls meine Annahmen. So forme ich über die explizite Untersuchung der Auswirkungen mein implizites Weltverständnis.

Viele Menschen suchen Gott im Gegenständlichen, in Raum und Zeit. Doch da ist er nicht zu finden. Wenn es einen Gott gibt, dann kann es keinen Gott geben, ist der doch Geist, also nichts, was angebetet werden oder in irgendeiner Form beschrieben werden könnte, ist doch der Geist jenseits von Form, Raum und Zeit.