Warum das mit dem Wünschen so eine Sache ist

Alles Leiden beruht auf dem Wunsch, die Dinge mögen anders sein, als sie sind. Ein Gedanke, der im Ch’an oft zu lesen und erst einmal nicht so einfach zu verstehen ist. Also mir ging es so.

Dabei ist es wie mit vielen Geduldsspielen: Ist erst einmal der Trick bekannt, wie es geht, ist es ganz leicht. Nicht anderes ist es mit vielen Gedanken aus dem Ch’an, eigentlich allen, nur dass die dann auch noch einzuüben sind, damit sie zu impliziten Wissen transformiert werden – sonst können sie ja nicht angewendet werden.

Schwierig sind die Gedanken des Ch’an nur deshalb, weil sie mit der normalen Alltagslogik einfach nicht zu verstehen sind. Die meisten Menschen werden bei dem Satz „Alles Leiden beruht auf dem Wunsch, die Dinge mögen anders sein, als sie sind.“ wahrscheinlich denken, dass der nicht stimmen kann. Stellen Sie sich mal vor, mein 6-jähriger Enkel rennt auf die Straße und übersieht ein entgegenkommendes Auto.

Wahrscheinlich denkt da jeder, dass ich als sein Opa den Wunsch haben werde, dass nichts passiert und eingreife. Doch das ist nur Theorie. In der Praxis, wenn also eine solche Situation eintritt, habe ich keinen Wunsch etwas zu tun, sondern ich tue das, was eben notwendig ist. Aber sicher mache ich eines nicht: Meine Handlung erst einmal zu wünschen. Oder wenn ich mit dem Motorrad unterwegs und zu schnell bin.

Da ist dann nicht etwa der Wunsch zu bremsen, sondern ich bremse ganz einfach. Nur eben nicht automatisch, sondern intuitiv und spontan. Das trifft es am ehesten. Dumm nur, wenn ich nicht geübt habe, mit der richtigen Bremse zu bremsen. Etwa wenn ich bei Schrittgeschwindigkeit in einer engen Kurve mit der Vorderradbremse bremse – was in der Regel schmerzhaft wird, zumindest oft Spuren am Motorrad nach sich zieht.

Ich überlege mir nicht, was ich mir wünsche, sondern ich handle, intuitiv und spontan, so wie ich es eingeübt habe. Also kein Wunsch! Fange ich an „zu wollen“, ist es schon zum Scheitern verurteilt. Nur merke ich das oft nicht, weil ich in der Regel die Reaktion nicht unmittelbar zu spüren bekomme.

Viele sind ja auch der Ansicht, sie würden nicht denken, wenn sie sich keine Gedanken machen. Also ich habe mir gerade keine Gedanken darüber gemacht, was ich tun musste, damit ich diesen Satz in meinen PC tippen konnte. Und wenn ich das Prinzip „Freundlichkeit“ wirklich als implizites Wissen verinnerlicht habe, werde ich nicht unfreundlich sein, ohne mir darüber Gedanken machen zu müssen, wie ich sein will.

So funktioniert Denken durch NichtDenken: Die Grundsätze und Prinzipien, also das Handlungskonzept, werden als implizites Wissen gespeichert – dann werde ich, egal in welcher Situation, diesem Handlungskonzept auch folgen. Und das, ohne darüber nachdenken oder etwas überlegen zu müssen.

Über etwas nachdenken oder darüber zu reflektieren brauche ich nur, wenn ich etwas Neues lernen will. Oder was ich noch nicht richtig kann. Dann schalten sich auch das Bewusstsein ein. Solange ich etwas ‚bewusst‘ zu machen suche (oder sollte), kann ich es noch nicht aus mir selbst heraus.

Ich bin mir mittlerweile darüber im Klaren, dass ich ich früher soviel nachgedacht habe, einfach weil ich kein klares Handlungskonzept parat hatte, das meine Handlungen geleitet hätte. Seit ich jedoch begriffen habe, dass ich die Form beeinflussen kann, der Inhalt jedoch immer nur eine Folge davon sein kann, seither achte ich auf meine Handlungskonzepte. Aber nicht, wenn ich handle, sondern allein in der Reflexion.