Verschränkung

Die Dinge der Welt sind verschränkt und nicht nur verbunden.

Von Verschränkung spricht man in der Quantenphysik, wenn ein zusammengesetztes physikalisches System, zum Beispiel ein System mit mehreren Teilchen, als Ganzes betrachtet einen wohldefinierten Zustand einnimmt, ohne dass man auch jedem der Teilsysteme einen eigenen wohldefinierten Zustand zuordnen kann.

Eine Familie erleben wir als wohldefiniert (was nicht unbedingt positiv sein muss), ein Zustand, dem sich alle Mitglieder regelrecht unterordnen, solange sie sich im System befindet. Unser Enkel Paul verhält sich auf eine spezifische Art, wenn er alleine bei ins ist, ganz anders jedoch, wenn seine Mama dabei ist, nochmal anders, wenn sein Papa dabei ist und ein drittes Mal anders, wenn beide dabei sind.

Die interessante Frage ist also, weshalb wir das erleben, gleichzeitig aber wohl die meisten Menschen Paul eine eindeutige Identität ‚zuweisen‘ – die er aber ganz offensichtlich nicht hat. Dieses ‚Phänomen‘ kennen wir, ganz pragmatisch, aus der klassischen und der Physik der Quanten. Nur ist es da leichter zu verstehen, da wir uns da gedanklich herausnehmen.

Im Bereich der klassischen Physik kann es dieses Phänomen nicht geben. Dort sind zusammengesetzte Systeme stets separabel, das heißt, jedes Teilsystem hat zu jeder Zeit einen bestimmten Zustand, der sein jeweiliges Verhalten bestimmt, wobei die Gesamtheit der Zustände der einzelnen Teilsysteme und deren Zusammenwirken das Verhalten des Gesamtsystems vollständig erklärt.

Doch es ist ein Trugschluss zu denken, dass der Mikro- mit dem Makrokosmos nichts miteinander zu tun hätte. Beide bedingen sich scheinbar, doch tatsächlich sind sie eins, nur eben so nicht wahrnehmbar. Wir wissen, dass in dem Bereich der Atome die Identität schlichtweg schwindet, weil sie ganz einfach nicht gebraucht wird. Der Makrokosmos wäre ohne Licht jedoch nicht denkbar. Aber die Elektronen, die das Licht zum Licht machen, ‚brauchen‘ keine Identität – die Masse macht hier den Effekt.

Bei dem Sessel, auf dem ich sitze, braucht es schon Identität. Also hat er die, zumindest für mich – und nicht etwa, weil es ein Sessel ist. Das ist er nur solange jemand einen Sessel sieht. Einstein hat sich diese Frage ja auch gestellt, auch wenn er das für verrückt gehalten hat. Er fragte, ob denn der Mond da wäre, wenn keiner hinschaut. Gute Frage!

Zurück zu dem Sessel. Der ist ja nicht meinetwegen ein sichtbarer Sessel, sondern weil ich über Bewusstsein verfüge. Durch mich ist sich der Kosmos seiner selbst bewusst. Es ist also nicht ‚mein‘ Bewusstsein, sondern Bewusstsein an sich. An diesem Punkt der Überlegung merkt man, dass die gedankliche Annahme, sich aus dem Geschehen heraus denken zu können, nicht stimmen kann.

Das bedeutet – und ist auch erlebbar – das Paul so ist, wie er sich gibt, wenn Mama, Papa oder beide dabei sind, weil ich dabei bin. Ich darf mich in dem Spiel ja nicht vergessen! Ich spiele ja mit und sitze nie auf der Reservebank. Es ist faszinierend, dass mein Erleben sich durch die Überlegungen aus der Quantenmechanik beschreiben und verstehen lassen, wenn auch nicht erklären. Nur beschreiben.

In der Sprache der Quantenphysik ‚sind‘ die Dinge ja nicht, vielmehr ereignen sie sich. Hans-Peter Dürr sprach deswegen gerne von ‚Passierchen’ statt von Elementarteilchen – Dinge sind nicht, sie passieren. Wir dürfen den Dingen daher keine unveränderlichen Eigenschaften zuordnen, denn das würde uns blind für Veränderungen machen.

In einem verschränkten Zustand des Systems besitzen die Teilsysteme mehrere ihrer möglichen Zustände nebeneinander, wobei jedem dieser Zustände eines Teilsystems ein anderer Zustand der übrigen Teilsysteme zugeordnet ist. Mit dem Bild über Kohärenz wird dies ein wenig verständlicher, nur müsste man hier noch die möglichen Zustände der anderen beteiligten Zustände (oder Menschen) auch dazu nehmen, was bedeutet, dass es sehr schnell so unübersichtlich wird, dass wir uns lieber in die Gedankenwelt der klassischen Physik zu retten versuchen.

Nur verhindert das leider, dass wir unsere Möglichkeiten wahrnehmen könnten. Um das Verhalten des Gesamtsystems richtig erklären zu können, muss man alle diese nebeneinander bestehenden Möglichkeiten zusammen betrachten. Dennoch zeigt jedes Teilsystem, wenn eine Messung an ihm durchgeführt wird, immer nur eine dieser Möglichkeiten, wobei die Wahrscheinlichkeit, dass gerade dieses Ergebnis auftritt, durch eine Wahrscheinlichkeitsverteilung bestimmt ist.

Messergebnisse an mehreren verschränkten Teilsystemen sind miteinander korreliert, das heißt, je nach dem Ergebnis der Messung an einem Teilsystem liegt für die möglichen Messergebnisse an den anderen Teilsystemen eine veränderte Wahrscheinlichkeitsverteilung vor. Diese durch Quantenverschränkung erzeugten Korrelationen werden auch als Quantenkorrelationen bezeichnet.

Beziehe ich das einmal auf meine Frau und mich, wird mir schlagartig klar, was passiert ist, wenn wir uns über etwas streiten. Wir haben schlichtweg das Feld des Möglichen verlassen. Doch das ist kein Drama, wir brauchen nur wieder in die Leere (oder Kohärenz) zurückfinden.