Ich bin, wie ich bin

Doch das bedeutet nicht, dass ich auch so bleiben muss. Ich weiß ja, wer A sagt, muss nicht auch B sagen, denn er kann ja erkennen, dass A oder B nicht hilfreich waren und auch zukünftig nicht sein werden. Die nachträgliche Reflexion belehrt mich unter Umständen also eines Besseren.

Ich weiß dann, wie ich mich zukünftig verhalten will. Wenn ich spontan handeln und Entscheidungen treffen muss, die nicht vorher geplant oder überlegt werden können, dann wird dies allein durch implizites Wissen gesteuert, durch Faktoren wie Persönlichkeit, Erfahrung, Umgebung und emotionalem Zustand.

Daher empfiehlt Viktor Frankl auch, immer eine kleine Pause der Reflexion zwischen Reiz und Reaktion einzubauen. Was jedoch ganz oft nicht gelingt, nämlich dann, wenn wir keine Zeit zum Überlegen habe. Da ist das einfach nicht möglich. Hört sich bei einem Gespräch wahrscheinlich witzig an, wenn vor jedem Satz eine lange Denkpause kommt. Und ist bei dem, was wir konkret tun, unmöglich.

Wenn wir etwas tun, definieren unsere Ansichten und Überzeugungen den Raum, innerhalb dessen wir uns bewegen können. Darüber kommen wir allein durch Reflexion und die Generierung neuen Wissens hinaus – oder durch Zwang, dann aber nur scheinbar.

Viele Menschen denken ja, sie könnten ihr Tun bewusst kontrollieren. Dabei weiß doch jeder, dass wir nicht laufen oder Fahrrad fahren und auch kein Auto ohne implizites Wissen lenken können. Nichts kann ich ohne implizites Wissen tun, kein Brot schneiden und keinen Text schreiben.

Implizites Wissen zeichnet sich leider dadurch aus, dass es nur sehr, sehr schwer und wenn, dann auch nur unvollständig zu erklären ist. Explizites Wissen hingegen bezieht sich auf Fakten, Informationen und Kenntnisse, die eine Person bewusst artikulieren und erklären kann. 

Das Dumme ist nur, dass ich explizites Wissen nicht „tun“ kann, das ist und bleibt Theorie, kann nie Praxis werden. Tatsächlich anwenden kann ich immer nur implizites Wissen. Über explizites Wissen kann ich also reden, es aber nicht anwenden. Leider kann ich auch denken, dass ich es anwenden könnte. Ob ich es wirklich kann, das merkt man nicht an dem, was ich sage, sondern alleine daran, wie ich mich verhalte.

Explizites Wissen ist daher theoretisches Wissen, das in Form von Fakten, Regeln und Konzepten ausgedrückt wird. Es kann zwar angewendet werden, aber nur kontrolliert, was bedeutet, dass der jeweilige mit einer Maske herumläuft und seine wahre Persönlichkeit  dahinter verbirgt. Wenn er oder sie jedoch spontan oder intuitiv handeln muss und sich nicht mehr auf das Wissen beziehen kann, ist es vorbei.

Manche Menschen verfügen über viel explizites Wissen, haben aber Schwierigkeiten, es in der Praxis anzuwenden – weil es eben kein implizites Wissen ist. Sie wirken dann roboterhaft, handeln mechanisch. Habe ich kein implizites Wissen über das Fahradfahren, kann ich einfach nur unsicher Fahrrad fahren – wenn überhaupt.