Das Gute versus das Böse

Weshalb ich glaube, dass langfristig das Stimmige Bestand haben wird. Ganz einfach, weil das Stimmige nicht taktiert, nicht gewinnen will. Ich will Ihnen dazu eine Metapher erzählen. Lassen Sie mich also ein wenig ausholen.

Gerade habe ich es – wieder einmal – mit hohem Blutdruck zu tun. Nur weiß ich noch nicht, was er mir sagen will. Es ist ja „nur“ ein Symptom, nicht die Ursache. Regle ich ihn mittels Blutdrucksenker, habe ich das eigentliche Problem noch nicht identifiziert und kann es nicht lösen. Noch nicht.

Es beginnt damit, dass ich aufhöre, innerlich zu kämpfen. Gemerkt habe ich das daran, wie ich über meinen Blutdruck gesprochen habe. „In den Griff“ wollte ich ihn bekommen, als wäre es ein Gegner, den es zu bekämpfen gilt.

Dabei ist es nur der Weg, wie mir mein Körper mitzuteilen sucht, dass etwas nicht in Ordnung ist. Da meine Organe sich in einem altersgemäßen Zustand befinden, liegt die eigentliche Ursache offensichtlich ganz wo anders, nämlich in meinem Denken.

Aus Sicht der traditionellen chinesischen Medizin sind die Ursachen von Bluthochdruck hauptsächlich auf emotionale Störungen, auf schlechte Ernährung, auf übermäßige Arbeit, auf eine Trägheit, auf die Familiengeschichte oder auf andere Faktoren zurückzuführen. Schlechte Ernährung, übermäßige Arbeit und Trägheit kann ich ausschließen.

Die Diagnose lässt sich also eingrenzen. Ich merke mittlerweile, dass mein Blutdruck Kapriolen schlägt, wenn ich mich über etwas aufrege. Ich will Ihnen aber nicht meine Geschichte erzählen, sondern das ist nur eine Metapher für das, was in der Welt passiert.

Leidet die Gesellschaft also ganz einfach an zu hohem Blutdruck? Sind die „Probleme“, die wir wahrnehmen, nicht das wirkliche, eigentliche Problem, sondern nur das Symptom für etwas ganz anderes? Und worauf will uns die Gesellschaft damit hinweisen?

Ein gesellschaftliches „Problem“ kann nur durch Verständnis gegenüber dem Symptomträger und durch miteinander zu reden gelöst werden. Solange ich den Radikalen als Grundproblem ansehe und nicht als  Symptom(träger), solange ändert sich überhaupt nichts. Sehe ich ihn jedoch als Symptomträger, brauche ich ihm wahrscheinlich nicht einmal etwas zu erklären, sondern ich brauche ihn einfach nur wirklich verstehen zu suchen – und nicht nur Verständnis zu zeigen.

Das beantwortet jedoch noch nicht die Frage, weshalb das Stimmige bestehen bleiben wird. Das sogenannte Böse ist ja immer von einer Absicht geleitet. Im klassischen Western gewinnt der Held fast jeden Schusswechsel, obwohl der Angriff des Bösewichts in der Regel völlig überraschend kommt. Doch eine experimentelle Studie konnte nun zeigen, dass offenbar auch im echten Leben immer der, der reagiert, schneller ist als jener, der eine geplante Aktion setzt.

Niels Bohr und seine Arbeitsgruppe gingen nach einem langen Arbeitstag häufig ins Kino, um anschließend den Aufbau der Genrefilme genau zu analysieren. Bohr fiel auf, dass der Held jeden Schusswechsel gewinnt, obwohl der Schurke meist seinen Revolver als Erster zieht. Und genau das testete er mit einem Kollegen – und der Böse unterlag regelmäßig.

Mittlerweile ist das in ernsthaften Versuchen bestätigt worden. Doch einfach „nur“ nichts Böses zu wollen genügt ganz offensichtlich nicht. Es ist darüberhinaus erforderlich, wirklich aufmerksam zu sein. Aber das kann ich selbst beeinflussen und brauche mir keine Unterstützung von anderen zu erhoffen. Meine Überzeugung ist, dass Aikidō genau darauf beruht, einmal der Friedfertigkeit und zum anderen die Aufmerksamkeit.

Was mir noch fehlt, das ist die Verständnisbrücke zur Mehr-Personen-Dynamik. Wie funktioniert – etwa Aikidō, wenn eine Gruppe oder gar einen Nation angegriffen wird? Nach dem gleichen Prinzip? Dazu habe ich einfach keine Erfahrung und daher auch keine Meinung. Aber weshalb sollte es nicht funktionieren?