Die Welt des Nichtvorstellbaren

Philosophie ist der Versuch, das Nichtvorstellbare zumindest zu beschreiben, so dass ich zumindest eine Vorstellung davon bekomme. Wahrnehmen kann ich immer nur das, was schon passiert ist oder schon existiert, aber nichts, was erst gedanklich im Entstehen ist. Daher kann ich nie wissen, weshalb ich tue, was ich tue, ich kann es allenfalls vermuten. Ein Beispiel: Ich möchte motorradfahren, aber mein Motorrad ist schmutzig. Also putze ich es. Das sieht jetzt so aus, als wüsste ich, weshalb ich das Motorrad putze. Aber es ist nicht mehr als eine Vermutung. 

„Begriffen“ habe ich das über das Motorradfahren. Ich bin im Rahmen des mir Möglichen gut unterwegs, wenn ich also schon erkannt habe, wie es geht; vorausgesetzt, ich denke nicht darüber nach, was ich in der jeweiligen Situation tun soll. Auf dem Motorrad handle ich intuitiv, was nicht bedeutet, dass ich nicht denken würde, nur was ich denke, ist mir absolut nicht bewusst.

Diese Erkenntnis korrespondiert mit der Feststellung von Erwin Schrödinger in Mind and Matter, dass wir uns nur der Dinge oder Situationen bewusst sind, für die unser Gehirn gerade keine Handlungsoption zur Verfügung hat. Wenn ich zum Fenster rausschaue, glaubte ich bisher, mir bewusst zu sein, dass es ein schöner Tag ist. Aber im Grund genommen nehme ich es nur wahr. Bewusstsein ist etwas anderes.

Wenn mir also ein Gedanke durch den Kopf geht, ich mir also eines Umstandes bewusst bin, bedeutet das, dass ich nicht weiß beziehungsweise unsicher oder unschlüssig bin, wie ich damit umgehen kann oder soll.

„Meine“ Welt ist demnach in Ordnung und ich bin eindeutig handlungsfähig, wenn ich nicht über etwas nachdenke, also keinen einzigen Gedanken daran verschwende. Klingt verrückt, ist es aber nicht. Im Ch’an wird dann über „Leere“ gesprochen, Quantenphysiker sprechen von Kohärenz.

In der Leere oder Kohärenz ist nichts festgelegt, aber auch nicht einfach alles möglich, sondern alle mir in der Situation möglichen Alternativen oder Wahrscheinlichkeiten stehen mir als Optionen zur Verfügung, von denen ich dann intuitiv eine auswähle und entsprechend handle.

Das bedeutet aber auch, dass ich nicht weiß und auch nie wissen kann, welche Möglichkeiten in dem Kohärenzteich schwimmen und welche ich auswählen könnte, vor allem weiß ich nicht, warum ich lieber rechts herum statt links herum gehe. All die Faktoren, die meine Intuition leiten und meinen ganz persönlichen Kurs lenken, also das, was letztlich meine Persönlichkeit ausmacht, all das weiß ich nicht, ich bin es „nur“.

Daher weiß ich auch nicht, was von meinem Wissen meinen tatsächlichen Entscheidungen zugrunde liegt beziehungsweise zugrunde liegen wird, was ich also verinnerlicht habe. Implizites Wissen lässt sich oft nur sehr schwer in Worte fassen. Und dass ich etwas explizit weiß, bedeutet nicht, dass ich es im Ernstfall auch beherzigen würde.

Da hilft nur eins: Praktizieren, praktizieren und noch einmal praktizieren. Und natürlich meine Philosophie immer wieder zu reflektieren und zu verifizieren (und nicht nur darüber nachzudenken).