Naked Presenter

Das ist nicht nur der Titel eines Buches über Präsentationen von Garr Reynolds, sondern auch eine Lebenshaltung. Auf dieses Thema bin ich bei dem Lesen eines Buches über Aikidō gestoßen, in dem in der Einleitung dieser Gedanke zu lesen war: „Merken die eigentlich nicht, wie nackt sie sich beim Aikido machen?!“ Dieser Satz ist mir (Georg Schrott) nachgegangen. Er drückt aus, dass eine gelungene Aikido-Begegnung bloß und unverstellt geschieht.‘

Das warf für mich die Frage auf, weshalb so viele Menschen es scheinbar für erforderlich halten, ihr wahres Wesen hinter einer Maske zu verbergen. Aber vielleicht nicht nur vor anderen, sondern auch vor sich selbst. Wozu brauche ich einen Selbstfindungskurs, wenn ich mit einer Maske herumlaufe – außer zur Selbstoptimierung?

Wie wäre es, einfach einmal die Maske Maske sein zu lassen und zu sein, wie man ist? Was, zugegebenermaßen, oft schon allein des Berufes wegen schwierig sein kann. Doch kann mein Beruf wirklich von mir verlangen, dass ich vielleicht lügen sollte oder gar muss, will ich mir keine Nachteile einhandeln?

„Das kann ja nicht wahr sein!“ – das ist der Gedanke, der einem in einem solchen Moment spontan durch den Kopf geht. Stimmt, das kann auch nicht wahr sein, jedenfalls dann nicht, wenn wir ehrlich miteinander umgehen wollen. Das wollen, zumindest angeblich, viele – doch wenige tun es wirklich und verhalten sich entsprechend konsequent.

Die Frage ist, wie man aus der Grube wieder herauskommt, die man sich da selbst gegraben und in die man sich hineinbegeben hat. Ich schreibe hier bewusst nicht ich, sondern man, denn mir ist das schon klar, seit ich vor einiger Zeit einen Aikidō-Kurs besucht habe. Erst einmal habe ich das Wissen nur dazu verwendet, um mich in meinem Beruf eleganter zur Wehr setzen zu können (ich war Anwalt), doch mittlerweile habe ich begriffen, dass im Aikidō eine Lebenshaltung steckt, eine, die mir sehr gefällt.

Aikidō ist keinesfalls nur ein Sport, sondern es ist vor allem eine innere Haltung. Die sportliche Betätigung ist nur das Vehikel, mit dem das Eigentliche zu transportieren, zu vermitteln gesucht wird. Entscheidend ist die innere Haltung, sowohl desjenigen, der Aikidō vermittelt, wie desjenigen, der Aikidō lernt.

Mir ist heute klar, dass meine innere Haltung mit den Anforderungen des Anwaltsberufs nicht kompatibel war, weswegen ich den Beruf auch früh nicht etwa aufgab, sondern aufgeben musste. Es ist schon faszinierend, wie wir Menschen uns regelrecht gegen unser innerstes Wesen zur Wehr setzen, aus Angst wahrscheinlich, den Kontakt zu den Menschen zu verlieren.

Wenn ich erkenne, dass es, wie Krishnamurti es ausdrückt, nicht von Gesundheit zeugt, an eine kranke Gesellschaft angepasst zu sein, dann erkenne ich meine eigene Angepasstheit oder Erkrankung wie bei meinem Gegenüber. Nur beim anderen ist das viel leichter, da tut es nicht so weh. Selbstverleugnung tut verdammt weh. Da braucht es schon eine Menge Tranquilizer in Form von Konsum und anderem unnötigem Kram, um das zu ertragen und auszuhalten.

Meine wirklich ernst gemeinte Empfehlung ist daher: Studiert Aikidō! Oder Ch’an! Lest Krishnamurti! Gerade Krishnamurti finde ich ein Phänomen. Mit glasklarer Logik landet er zielgenau in der Leere, die alles andere als leer ist, sondern das geballte Leben in sich trägt.

Das Erste ist, sich ganz klar für ein maskenloses Leben zu entscheiden. Also als Naked Presenter leben – und nicht nur darüber reden. Am besten einfach machen! Was nicht so einfach ist, denn erst muss man aus der Grube herauskommen, die man sich gegraben hat. Dazu braucht es ein Hilfsmittel, etwa Aikidō. Was auch sonst?